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18. Juli 2025

Die EU enthüllt ihren Fahrplan für Naturgutschriften

„Die Natur ist nicht nur um ihrer selbst willen wertvoll, sondern entscheidend, um die miteinander verknüpften Krisen des Klimawandels, des Biodiversitätsverlusts und der Umweltverschmutzung zu bewältigen.“ — EU-Fahrplan für Nature Credits, 2025

EU-Fahrplan für Nature Credits: Ein neues Kapitel in der Finanzierung der Natur

Am 7. Juli hat die Europäische Kommission ihren Fahrplan für Nature Credits vorgestellt und damit einen mutigen Kurs eingeschlagen, um private Finanzmittel für Europas Ökosysteme zu mobilisieren.

Im Kern schlägt der Fahrplan die Einführung von „Nature Credits“ vor – zertifizierte, handelbare Einheiten, die messbare Verbesserungen der Biodiversität und der Ökosysteme repräsentieren. Er legt einen schrittweisen Umsetzungsplan von 2025 bis 2027 fest, der Pilotprojekte, die Festlegung von Standards und die Entwicklung eines regulatorischen Rahmens umfasst.

Europas Plan, die Wiederherstellung der Natur bankfähig zu machen

Die Natur ist das Fundament unserer gesamten Wirtschaft: Mehr als die Hälfte des globalen BIP und zwei Drittel des wirtschaftlichen Werts der EU hängen von den Leistungen der Natur ab – von Bestäubung und Wasserfiltration bis hin zur Kohlenstoffspeicherung und Bodenfruchtbarkeit. Dennoch, so stellt die Kommission fest, bleiben diese Leistungen auf den Märkten „unsichtbar“, was zu chronischer Unterinvestition in Wiederherstellung und Naturschutz führt.

Laut dem Global Biodiversity Framework (GBF) muss die Welt jährlich 700 Milliarden US-Dollar aufwenden, um die Natur zu schützen und wiederherzustellen. Ziel 19 des GBF erkennt an, dass öffentliche Mittel allein die Finanzierungslücke im Bereich der Biodiversität nicht schließen können, und fordert Investitionen in innovative Finanzlösungen, um bis 2030 jährlich 200 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren.

Europas Plan, die Wiederherstellung der Natur bankfähig zu machen

Der EU-Fahrplan zielt darauf ab, diese Lücke zu schließen, indem naturpositive Maßnahmen zu einer Einkommensquelle und einem Resilienzfaktor für Landwirte, indigene Völker, Forstwirte, Fischer, Landbewirtschafter und lokale Gemeinschaften werden.

Der Fahrplan greift dabei die Erfahrungen mehrerer Mitgliedstaaten und Nicht-EU-Länder auf, die bereits Pilotprojekte für Biodiversitätsfinanzierung durchführen (Frankreich, Estland, Peru) und dabei öffentliche und private Mittel kombinieren.

EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall betonte, dass es bei dem Fahrplan „nicht darum geht, die Natur zur Ware zu machen, sondern darum, Maßnahmen anzuerkennen und zu belohnen, die zur Wiederherstellung und Erhaltung der Natur beitragen“.

Die Kommission hat eine öffentliche Konsultation gestartet (offen bis zum 30. September 2025) und wird noch vor Ende 2025 eine inklusive EU-Expertengruppe einrichten. Diese Gruppe wird Regierungen, Wissenschaftler, indigene Völker, lokale Gemeinschaften, Landwirte, Unternehmen, die Zivilgesellschaft und Finanzinstitute zusammenbringen, um gemeinsam Methoden, Governance-Rahmen und bewährte MRV-Praktiken zu entwickeln. Bewerbungen für die erste Auswahlrunde sind bis zum 10. September 2025 hier möglich:

Was ist in dem Fahrplan?
  • Zertifizierung zuerst, Credits später: Der EU-Plan verfolgt einen schrittweisen Ansatz – die unabhängige Zertifizierung naturpositiver Maßnahmen bildet die Grundlage für die Ausgabe von Credits auf Basis wissenschaftlich fundierter Biodiversitätsmetriken.

  • Integrität durch Design: Der Fahrplan zieht Lehren aus dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt und legt großen Wert auf strenge Governance, Transparenz und Schutzmaßnahmen gegen Greenwashing und Doppelerfassung.

  • Über Kohlenstoff hinaus: Kohlenstoffbindende Maßnahmen müssen innerhalb eines einheitlichen Credit-Mechanismus auch Co-Benefits für Biodiversität und Ökosystemleistungen erzeugen. Dies entspricht einem wachsenden Marktrend: Käufer legen zunehmend Wert auf belastbare Credits mit Zusatznutzen, insbesondere im Zusammenhang mit naturbasierten Lösungen.

  • Robuste MRV-Systeme: Im Zentrum des Fahrplans steht die Entwicklung starker MRV-Rahmenwerke (Monitoring, Reporting, Verification), um Fortschritte zu verfolgen, Glaubwürdigkeit zu sichern und Vertrauen zu erhalten. Ohne verlässliches MRV laufen Nature Credits Gefahr, in ähnliche Integritätsprobleme zu geraten wie Teile des Kohlenstoffmarktes.

  • Pilotprojekte und Anschubfinanzierung: Frühphasenprojekte sollen Modelle in der gesamten EU und darüber hinaus testen, wobei EU-Mittel helfen sollen, Investitionen abzusichern und die Marktreife vorzubereiten.

Welche Reaktionen gibt es bisher?

Befürworter sehen den Fahrplan als eine gelungene Mischung aus Innovation und Pragmatismus zur rechten Zeit. Viele sind der Meinung, dass Nature Credits ein zentrales Instrument sein könnten, um privates Kapital in die Natur zu lenken – ein Weg, um Natur im Wirtschaftssystem angemessen anzuerkennen und so den Weg für die notwendige grundlegende Transformation zu ebnen.

Das Weltwirtschaftsforum bezeichnete Nature Credits als vielversprechendes Instrument zur Finanzierung naturpositiver Übergänge – insbesondere dann, wenn sie mit „Zusätzlichkeit, Transparenz und lokalem Nutzen“ gestaltet werden. Gleichzeitig hebt die Europäische Investitionsbank das Potenzial hervor, privates Kapital für wirkungsstarke Projekte wie die Wiederherstellung von Feuchtgebieten oder den Erhalt von Lebensräumen für Bestäuber zu gewinnen.

Der in Brüssel ansässige Thinktank Bruegel beschrieb die politische Initiative als Chance, „Investitionen in wirkungsstarke Naturschutzmaßnahmen zu lenken und Landbewirtschafter zu belohnen“, betonte jedoch die Notwendigkeit von „wissenschaftlicher Strenge, langfristiger Beständigkeit, transparenter Governance und fairer Nutzenverteilung“.

Am anderen Ende des Spektrums kritisieren Gegner, dass der marktorientierte Ansatz des Fahrplans eine politische Ablenkung sei – ein Deckmantel für das regulatorische Nichtstun der Kommission.

Im größeren Kontext sehen viele Kritiker eine Schwächung der Umweltgesetzgebung in der EU insgesamt und befürchten, dass Nature Credits dazu missbraucht werden könnten, um eine Verwässerung oder Verzögerung von Umweltauflagen zu rechtfertigen – indem öffentliche Aufgaben an den Privatsektor ausgelagert werden.

Insgesamt stellen viele Fachleute den wirtschaftlichen Nutzen von Nature Credits infrage und verweisen auf anhaltende Unsicherheiten in Bezug auf Nachfrage, Messbarkeit und langfristige Finanzierung.


Planet2050s Haltung: Eine Chance, verantwortungsvoll voranzugehen

Bei Planet2050 sehen wir den EU-Fahrplan als eine wegweisende Chance – jedoch nur, wenn er mit Sorgfalt und Weitsicht gestaltet wird und gleichzeitig auf angepasste, neue Technologien zurückgreift.

Der Fahrplan liegt richtig darin, zunächst eine Zertifizierung und erst danach eine Vergabe von Credits zu fordern. Die Messung muss an erster Stelle stehen: Ohne robuste MRV-Systeme (Monitoring, Reporting, Verification) gibt es kein Vertrauen, keine Integrität und keinen echten Fortschritt. Darüber hinaus brauchen wir ambitionierte, aber praxistaugliche Biodiversitätsindikatoren, die gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen, Landbewirtschaftern und indigenen Wissensträgerinnen entwickelt werden.

Wir fordern:

  • Integrität zuerst, Märkte danach: Robuste Zertifizierung, gute Governance und soziale Schutzmechanismen sind entscheidend.

  • Lokale und indigene Führung im Zentrum: Die Bewahrung angestammter Ökosysteme muss mitentscheiden dürfen und am Nutzen teilhaben.

  • Wissenschaftlich fundiertes, aber praxistaugliches MRV: Zuverlässige, transparente und inklusive MRV-Systeme sind unerlässlich, um Biodiversitätsfortschritte zu messen und Vertrauen zu erhalten.


Deshalb arbeitet die BioCarbon dMRV-Arbeitsgruppe von Planet2050 aktiv an digitalen Tools und Open-Access-Systemen, um glaubwürdige Umweltkreditmärkte zu unterstützen.


Zukünftige Schritte für EU‑Nature Credits

Zwischen 2025 und 2027 wird die Kommission Maßnahmen ergreifen, um die Entwicklung von Nature-Credit-Märkten in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, relevanten Akteuren und internationalen Partnern zu unterstützen.

Noch ist unklar, ob die Kommission einen freiwilligen, einen verpflichtenden oder einen dualen Markt anstrebt – und ob die Mitgliedstaaten eigene Rahmenwerke entwickeln dürfen oder sich einem einheitlichen EU-weiten oder sogar globalen System unterordnen sollen.

Planet2050 ist jedoch entschlossen, sich aktiv in diesen Prozess einzubringen und seine Expertise im Bereich Umweltmärkte und digitale MRV-Systeme in die EU-Expertengruppe und Pilotprojekte einzubringen.

Wir laden alle Akteure ein, sich an diesem Prozess zu beteiligen – durch Mitwirkung an der öffentlichen Konsultation und durch Zusammenarbeit in Initiativen wie unserer BioCarbon dMRV-Arbeitsgruppe, um eine Zukunft mitzugestalten, in der die Natur gedeiht – jenseits von Märkten und jenseits des gewohnten „Business as usual“.

Weitere Einblicke in Kohlenstoffmärkte finden Sie unter: https://planet2050.earth/blog

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