28. April 2025

Europa setzt auf Kohlenstoffmärkte: Frankreich, Deutschland, das Vereinigte Königreich und die EU drängen auf eine stärkere Nutzung von CO₂-Zertifikaten.

Diese wichtigen Einzelankündigungen im April 2025 verpasst? Wir bringen Sie auf den neuesten Stand.

Während wirtschaftliche und geopolitische Spannungen das Tempo der Dekarbonisierung bremsen, setzt Europa verstärkt auf ein zentrales – und mitunter kontroverses – Klimainstrument: CO₂-Zertifikate. In einer koordinierten Welle von Ankündigungen signalisieren die Europäische Union und drei ihrer einflussreichsten Mitgliedstaaten – Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich – eine stärkere Unterstützung für hochwertige Kohlenstoffmärkte, um Emissionen schneller zu senken und verbleibende Emissionen gezielt zu managen.

Hier ist ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungen, die CO₂-Zertifikaten neuen politischen Aufwind verleihen.

Die französische Regierung hat ihre Charta für den Paris-kompatiblen und integritätsbasierten Einsatz von CO₂-Zertifikaten vorgestellt.

Auf der führenden Pariser Klimakonferenz ChangeNow vom 24. bis 26. April stellte die französische Regierung eine neue Charta zur Nutzung hochwertiger CO₂-Zertifikate vor. 

This  released by Agnès Pannier-Runacher, the French Minister for Ecological Transition, Biodiversity, Forests, the Sea, and Fisheries, represents a major step towards a more transparent and robust international carbon market.

Dieses zweiseitige Dokument, veröffentlicht von Agnès Pannier-Runacher, der französischen Ministerin für ökologischen Wandel, Biodiversität, Wälder, Meer und Fischerei, stellt einen bedeutenden Schritt hin zu einem transparenteren und robusteren internationalen Kohlenstoffmarkt dar.


Die Charta soll Unternehmen klare Leitlinien dafür bieten, wie sie in CO₂-Zertifikate investieren können, die mit den Vorgaben und dem Geist von Artikle 6 sowie mit Integritätsinitiativen wie der ICVCM im Einklang stehen.

Sie fördert zwei zentrale Prinzipien:

  • Dekarbonisierung zuerst: Verpflichtung zu einem Net-Zero-Ziel im Einklang mit dem Pariser Abkommen

  • Auswahl hochwertiger CO₂-Zertifikate: Orientierung an Standards gemäß Artikel 6.4

Mehrere Unternehmen, darunter Schneider Electric, haben die Charta bereits unterzeichnet. Die Initiative stellt einen wichtigen Schritt dar, um Vertrauen und Ambitionen auf den Kohlenstoffmärkten wiederherzustellen. Sie bietet klare Standards, die helfen, frühere Bedenken hinsichtlich der Qualität und Transparenz von CO₂-Zertifikaten auszuräumen.


UK: Konsultation zu hochwertigen freiwilligen Kohlenstoffmärkten


Am 17. April 2025 startete die britische Regierung eine 12-wöchige Konsultation zur Nutzung freiwilliger CO₂-Zertifikate. Das Vereinigte Königreich plant, Rahmenwerke wie den VCMI Claims Code of Practice und die Core Carbon Principles der ICVCM zu übernehmen.


Einer der zentralen Vorschläge ist die Unterstützung des Scope 3 Beta Claims der VCMI, den Planet2050 bereits an anderer Stelle thematisiert hat. Dieser Claim ermöglicht es Unternehmen, CO₂-Zertifikate vorübergehend zu nutzen, während sie weiterhin Kapazitäten aufbauen, um ihre internen Emissionen zu reduzieren – als unterstützender Übergangsmechanismus mit klar definierten Anwendungsregeln.

Für die meisten Unternehmen erfordert die Reduktion von Scope-3-Emissionen – etwa vorgelagerte Emissionen in der Lieferkette oder nachgelagerte Emissionen durch die Nutzung von Produkten – Zeit. Der britische Ansatz ermöglicht eine teilweise Kompensation parallel zu den Reduktionsbemühungen, anstatt Maßnahmen insgesamt aufzuschieben.

Deutschlands Tendenz zur Nutzung von CO₂-Zertifikaten als Teil der Klimaziele für 2040?


Im April 2025 veröffentlichte Deutschlands neue Koalition ihren Koalitionsvertrag, der eine Einigung über die Klimaziele für 2040 und die Nutzung von CO₂-Zertifikaten signalisiert.

Zentrale Elemente umfassen:

  • Unterstützung des EU-Ziels, die Emissionen bis 2040 um 90 % zu senken

  • Anerkennung der Rolle von CO₂-Entnahmen Carbon Dioxide Removals (CDR) zur Erreichung von Netto-Null

  • Offenheit für die Nutzung internationaler CO₂-Zertifikate auf nationaler und EU-Ebene (möglicherweise bis zu 3 % des 2040-Ziels)

Dies folgt nur wenige Wochen nach Deutschlands Ankündigung, 100 Milliarden € in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu investieren – mit dem Ziel, seine Führungsrolle in der Klima­innovation nach Jahren widersprüchlicher Signale wiederherzustellen (mehr dazu in unserem aktuellen Blogbeitrag).

Das auf 12 Jahre angelegte Investitionspaket soll Projekte in den Bereichen Energie, Industrie und Infrastruktur unterstützen – jedoch nur unter einer zentralen Bedingung: Zusätzlichkeit. Das bedeutet, dass die Mittel über bestehende Haushaltsausgaben hinaus eingesetzt werden müssen, um eine echte Beschleunigung zu gewährleisten – und nicht bloßes Umetikettieren.

EU: Konsultation zum Emissionshandelssystem (ETS) und mögliche zukünftige Integration von CO₂-Entnahmen (Carbon Dioxide Removals, CDR)

Das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) ist ein zentrales Instrument zur Erreichung der Klimaziele der EU. Die Europäische Kommission bereitet derzeit eine umfassende Überprüfung vor, die für 2026 angesetzt ist, und hat am 15. April 2025 eine öffentliche Konsultation in Form eines Fragebogens gestartet, begleitet von einem sogenannten "Call for Evidence" document.

In diesem Dokument heißt es „Im kommenden Jahrzehnt – und um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen – muss die Industrie einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen, um zu dekarbonisieren und auf sauberere sowie energieeffizientere Technologien umzusteigen.“

Es wird auf den „Clean Industrial Deal“ verwiesen und darauf, dass „CO₂-Entnahmen sowie CO₂-Abscheidung und -Nutzung sowohl öffentliche als auch private Unterstützung benötigen werden“. Die EU plant eine Folgenabschätzung, bei der insbesondere auch die Frage der CO₂-Entnahmen zu den zentralen Aspekten gehören wird:

„CO₂-Entnahmen (...) dabei wird untersucht (i) wie das EU-ETS negative Emissionen berücksichtigen könnte, die durch die Entfernung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre und deren sichere und dauerhafte Speicherung unterirdisch (z. B. biogene Emissionen mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung – BioCCS oder direkte Luftabscheidung mit CO₂-Speicherung – DACCS) oder durch dauerhafte Speicherung in Produkten entstehen.“

Dieser Schritt steht im Einklang mit den jüngsten Entwicklungen der EU im Bereich CO₂-Entnahmen – etwa der Einführung des EU-Zertifizierungsrahmens für CO₂-Entnahmen und Carbon Farming. Dieser könnte eine zentrale Rolle dabei spielen, Integrität durch klare Kriterien für Monitoring, Reporting und Verification (MRV) sicherzustellen – als Grundlage für zukünftige CDR-Einheiten im Rahmen von EU-Dekarbonisierungsinstrumenten wie dem Emissionshandelssystem (EU ETS).


EU LIFE Ausschreibungen 2025


Die EU-Kommission hat ihr LIFE-Förderprogramm 2025 zum Klimaschutz veröffentlicht. Es enthält mehrere Ausschreibungen zum Thema CO₂-Entnahmen, für die Bewerbungen bis zum 23. September eingereicht werden können.


Insbesondere zielt die Kommission darauf ab, innovative Technologien zu erproben, die Kapazitäten für Monitoring, Reporting und Verification (MRV) auszubauen und neue Geschäftsmodelle im Bereich der CO₂-Entnahmen zu entwickeln.

  • "Enhanced rock weathering"

  • CO₂-Entnahme durch Pflanzenkohle

  • Kleine BioCCS-Anlagen

  • Erhöhung der Ozean-Alkalinität

  • Direkte CO₂-Abscheidung aus dem Ozean


Unser Fazit 

Wir begrüßen die neue Dynamik rund um die globalen Kohlenstoffmärkte – und den pragmatischen Ansatz, der sich zunehmend durchsetzt, trotz aller bestehenden Herausforderungen. Seien wir ehrlich: Die Klimakrise zu lösen ist ein langer und komplexer Weg. Bei Planet2050 sind wir überzeugt, dass der Privatsektor und die Kapitalmärkte eine entscheidende Rolle dabei spielen, Klimaschutz zu beschleunigen und die Technologien zur Reduktion und Entfernung von Emissionen in großem Maßstab voranzubringen.

Genau deshalb sind die jüngsten Ankündigungen aus Frankreich, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und der EU ein so positives Signal. Sie spiegeln ein gemeinsames Verständnis wider:

CO₂-Zertifikate – sofern sie auf Integrität basieren und wissenschaftlich fundiert sind – sind unverzichtbare Instrumente, um die Dekarbonisierung zu beschleunigen, verbleibende Emissionen auszugleichen und Klimafinanzierung zu mobilisieren.

Der Weg nach vorn wird nicht ohne Herausforderungen sein – aber die Richtung ist klar: stärkere Rahmenbedingungen, klarere Standards und zunehmende politische Unterstützung schaffen die Grundlage für eine neue Ära der Klimamärkte – mit echtem Wirkungspotenzial.

Mit wachsendem Vertrauen erleben wir nicht nur eine Rückkehr der CO₂-Märkte, sondern ihre Weiterentwicklung zu einem zentralen Baustein der globalen Net-Zero-Strategie.

Weitere Einblicke in die Kohlenstoffmärkte finden Sie unter: https://planet2050.earth/blog.